kein Gottopfer-Gehorsam

Diese Predigt habe ich am 16. März 2014 (Reminiszere) in der Owschlager Kirche gehalten. Dem Autor des Hebräerbriefes ist der Glaubensgehorsam wichtig. Doch wie weit geht der Gehorsam? Gerade Abraham ist ein absolut negatives Beispiel dafür, wozu einen „fanatischer Glaubensgehorsam“ führen kann. Er war bereit, seinen Sohn Isaak zu opfern. Nun, dass wird von ihm erzählt. Eine schlimme Geschichte und ein gruseliges Gottesbild. Ein Gott, der auf diese Weise den Glauben eines Menschen testet, was ist das für ein Gott? Ein Opfergott? – Ich kann weder mit einem Opfergott noch mit einem Gottopfer etwas anfangen.

 

Predigttext, Hebräerbrief 11, 8-10:

 

Durch den Glauben wurde Abraham gehorsam, als er berufen wurde, in ein Land zu ziehen, das er erben sollte; und er zog aus und wußte nicht, wo er hinkäme.

Durch den Glauben ist er ein Fremdling gewesen in dem verheißenen Lande wie in einem fremden und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung.

Denn er wartete auf die Stadt, die einen festen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist.

 

 

 

Liebe Gemeinde,

 

Lebensgeschichte (Biographie)

Familiengeschichte

Volkswerdungsgeschichte

Menschheitsgeschichte – alles hat Geschichte, sogar die Erfindung der Glühbirne.

 

Innerhalb der Menschheitsgeschichte könnte sich ein einzelner Mensch wie ein Sandkorn vorkommen.

Ein Menschlein unter unzähligen Menschen – doch ein Mensch, ein einmaliges, einzigartiges Individuum.

 

Jeder Mensch lebt in Bezügen,

in seinem jeweiligen sozialen Umfeld.

Das Umfeld verändert sich im Laufe der Jahre.

Bezugspersonen wechseln ...

Lebenserfahrungen wachsen ...

Kindergarten ... Schule ... Ausbildung ... Freundschaften ... Beruf ... Familie ... Liebe ... Enttäuschungen ... Erfolg ... Scheitern .... Schweres ... Leichtes ...

Sich mit der eigenen Lebensgeschichte befassen, ist wichtig, denn sie gehört zur Identität. Den eigenen Lebensweg anschauen kann mehr Selbstbewusstsein schaffen.

Dabei immer wieder Fragen stellen:

 

Wer bin ich?

Was macht mich aus?

Was macht Sinn?

 

Existentielle Fragen. Jedermanns Fragen – hoffentlich.

 

Auf meiner Sinnsuche greife ich oft zur Bibel.

Dieses Glaubensbuch ist mir zu einer Wegbegleiterin geworden. Und das auch schon viele Jahre bevor ich Pastorin geworden bin.

 

Gleichzeitig weiß ich natürlich, dass auch die Bibel GESCHICHTE hat. Dass sie ein Buch voller GESCHICHTEN ist, die sich Menschen vor sehr langer Zeit erzählt haben.

Ein Buch voller Menschen- und Gottesgeschichten.

****

 

Der Hebräerbrief ist ca. 100 Jahre nach Christus verfasst worden. Die Adressaten waren sowohl Judenchristen als auch Heidenchristen.

 

Drei Verse aus dem 11. Kapitel sind heute Predigttext:

  • Durch den Glauben wurde Abraham gehorsam, als er berufen wurde, in ein Land zu ziehen, das er erben sollte; und er zog aus und wußte nicht, wo er hinkäme.
  • Durch den Glauben ist er ein Fremdling gewesen in dem verheißenen Lande wie in einem fremden und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung.
  • Denn er wartete auf die Stadt, die einen festen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist.
  • Signalworte / Motive, die mich unmittelbar anspringen:

    GLAUBE

    GEHORSAM

    BERUFUNG

    UMHERZIEHEN

    UNGEWISSHEIT

    FREMDSEIN

    LAND ERBEN

    FESTER GRUND

    SCHÖPFER GOTT

     

    Dazu kommen noch drei Namen von Erzvätern (Stammvätern) des Volkes Israel: ABRAHAM, ISAAK und JAKOB.

     

    Diese drei Erzväter sind Vorbilder, Prototypen, Glaubenshelden.

     

    Sie gehören zur Volkswerdungsgeschichte Israels.

     

    Es sind sagenhafte Gestalten, die ins kollektive Gedächtnis von Juden und Christen eingegangen sind.

    Schon im Kindergarten wird von Abraham erzählt.

     

    Der Hebräerbrief hebt – wie auch viele andere Schriften der Bibel – den Glaubensgehorsam Abraham hervor.

     

    Glauben, so wie Abraham

    Gott gehorchen, so wie Abraham

     

    ****

    Hilft das, bei existentiellen Fragen?

    Hilft das in der Not?

    Zu wissen, dass es solche sagenhaften Glaubensheroen gegeben hat?

     

    ****

    Persönlich über den Glauben reden, kann schon helfen.

    Egal, ob nun ein Mensch 100%tig ... 50%tig ... 10%tig ... oder gar nicht glauben kann.

    Über Glaubenkönnen oder Nicht-Glaubenkönnen reden, macht Sinn.

     

    Dazu gehört vor allem Toleranz und Achtung.

     

    ****

    WIR sind alle Individuen ... Persönlichkeiten ... und jeder von uns ist ANDERS.

    Doch jeder von uns hat nur EIN LEBEN, EIN HERZ, EINE LIEBE.

    Jeder hat mehr oder weniger Glauben in das Leben – je nach dem, wie die Lebenserfahrungen sind.

     

    WIR sind:

    Kleinkind, dem mit Liebesentzug gedroht wird,

    Konfirmand, der in der Schule gemobbt wird,

    allein erziehende Mutter,

    Mensch, der um seinen Arbeitsplatz fürchtet,

    Mensch, der schwer erkrankt ist,

    Mensch, der alt ist,

    Mensch, der suchterkrankt ist,

    Mensch, der um einen lieben Menschen trauert.

     

    WIR sind:

    erfolgreiche Geschäftsmann,

    Spitzenpolitiker,

    Bürgermeister,

    Pastor,

    WIR bauen Häuser, kaufen Autos, machen Urlaub, zahlen Steuern und Versicherungen ... oder auch nicht ...

    WIR haben alle unsere Vorstellungen, Überzeugungen, Wünsche, Sehnsüchte, Bedürfnisse.

     

    ****

    WIR alle sind auf der Suche.

     

    ****

    Noch einmal zu den Signalworten / Motiven des Predigttextes:

    GLAUBE

    GEHORSAM

    BERUFUNG

    UMHERZIEHEN

    UNGEWISSHEIT

    FREMDSEIN

    LAND ERBEN

    FESTER GRUND

    SCHÖPFER GOTT

     

    Ich gestehe, dass ich überhaupt mit dem Wort GLAUBENSGEHORSAM wenig anfangen kann. Es ist mir ein fremdes Wort.

     

    Da steckt mir zuviel DU MUSST drin.

    Und DU MUSST hat für mich wenig mit Glauben zu tun.

     

    Auch so Sätze wie: Wenn ich glaube, dann ... wenn ich nicht glaube, dann .... JA, WAS DANN?

    Fällt mir dann der Himmel auf den Kopf?

    Falle ich aus Gottes Segen heraus, wenn ich nur 50% glauben kann?

     

    Auch Abraham ist mir fremd.

    Was von ihm im 1. Buch Mose erzählt wird – fremd.

    Er ist weit weg – lebte in einer anderen Welt.

     

    ****

    Die Geschichte von Isaaks Beinahe-Opferung ist gruselig.

    Gott hat in der Geschichte Abraham aufgefordert seinen einzigen Sohn, den er lieb hat zu opfern.

    Und Abraham hat seinen Sohn gefesselt, auf einen Scheiterhaufen gelegt, und hat sein Messer schon gezogen ... GLAUBENSGEHORSAM VORBILDLICH????

    Gott sei dank ist sein Gott dann doch noch rechtzeitig dazwischen gegangen. Allerdings erst nachdem er den Glauben Abrahams getestet hat.

     

    Mh, ... hat mein Glaube auch nur das geringste mit dem Glauben dieser Erzählfigur zu tun, die bereit war seinen Sohn zu opfern?

     

    Ist mein Gott der Gott Abrahams?

     

    Großes Fragezeichen ?

     

    Wer – oder wie ist mein Gott?

     

    Ein Gott, der von mir fordern täte, das Liebste zu opfern, der ist nicht mein Gott.

     

    Mein Gott ist ANDERS.

    Er geht mit mir Hand in Hand

    Begleitet mich auf meinem Lebensweg

    Und stirbt mit mir, wenn ich sterbe.

     

    Er ist kein Opfergott und kein Gottopfer.

     

    ****

    Abraham, Isaak, Jakob ... waren Kleinviehnomaden.

    Sie lebten in Zelten und zogen umher.

    UMHERZIEHEN

    UNGEWISSHEIT

    FREMDSEIN

    Damit kann ich etwas anfangen.

    Das sind Erfahrungen, die Menschen zu allen Zeiten machen.

     

    ****

    Gerade in unserer Zeit steigt die Lebensangst, fühlen sich immer mehr Menschen getrieben ... gehetzt ...

    müssen mobil sein ... flexibel ... müssen immer mehr leisten ... wissen nicht, was die Zukunft bringt.

     

    Glauben in Ungewissheit / in Unsicherheit

    Um den Glauben ringen

    Und Gott als Begleiter in sich spüren, als ewiges Du in sich selbst und der Schöpfung.

     

    ****

    Ich habe EIN LEBEN, EIN HERZ, EINE LIEBE

    Ich habe viele Fragen ...

    Ich habe viel Angst ...

    Ich habe Träume

    Ich habe Zweifel

    Ich halt an meinem Leben fest und an Gott, mit dem ich immer wieder ringe.

     

    Und all das macht mich aus.

    All das gehört zu mir ... zu meiner Identität.

     

    Gott fragen wieso, warum ... im Leben und im Sterben.

    Dabei sage ich ihm:

    „Gott, ich lasse Dich nicht aus, Du segnest mich denn!“,

    so wie es  von Jakob erzählt wird.

     

    Amen

    Mit G rechnen

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