beim namen gerufen

Jesaja 43, 1-7

Gott erlöst sein Volk

Und nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!

Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, daß dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen.

 

Denn ich bin der HERR, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland.

Ich habe Ägypten für dich als Lösegeld gegeben, Kusch und Seba an deiner Statt,

 

weil du in meinen Augen so wertgeachtet und auch herrlich bist und weil ich dich liebhabe. Ich gebe Menschen an deiner Statt und Völker für dein Leben.

So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir. Ich will vom Osten deine Kinder bringen und dich vom Westen her sammeln,

 

ich will sagen zum Norden: Gib her! und zum Süden: Halte nicht zurück! Bring her meine Söhne von ferne und meine Töchter vom Ende der Erde,

alle, die mit meinem Namen genannt sind, die ich zu meiner Ehre geschaffen und zubereitet und gemacht habe.

 

 

 

Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst;

ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!

Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein,

daß dich die Ströme nicht ersäufen sollen;

und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen,

und die Flamme soll dich nicht versengen.

 

Liebe Gemeinde

 

Ich bin mit einigen Menschen im Gespräch, die in ihrer Kindheit in Heimen untergebracht waren und viel Ungerechtigkeit, Kälte und Gewalt erlebt haben.

 

Was mir die Menschen erzählen,

erschreckt mich immer wieder auf´s Neue.

Entmenschende Grausamkeiten unterschiedlichster Art.

 

Heute leben noch 800 000 ehemalige Heimkinder,

die in Kinderheimen zu Gewaltopfern wurden.

 

Ich denke jetzt besonders an Friedhelm.

Er hat fast seine gesamte Kindheit und Jugend

in einem kirchlichen Heim verbracht.

Was er mir erzählt hat, das sprengt das menschliche Vorstellungsvermögen.

Und doch ist es geschehen, und doch haben er und viele andere Kinder das durch machen müssen.

 

 

Zur Zeit klagt er gegen die kirchliche Einrichtung in Den Haag und Straßburg. Er klagt auf angemessene Entschädigung wegen systematischer Menschenrechtsverbrechen.

 

Er tut dies für sich selbst und für seine Leidensgenossen.

 

Endlich soll sein Leid schwer wiegen.

Jedenfalls nicht mehr leichter,

als das Ansehen der Institution.

 

Schwer tun sich die Kirchen und die Gesellschaft

mit dem Thema.

Es ist so ungeheuerlich ... so über alle Maßen grausam ...

Die Gewalt gegen Kinder.

Damals wie heute.

 

In den Heimen wurden die Kinder ihrer Würde beraubt.

Sie wurden ihrer Individualität beraubt.

Da war nix von: Du bist gewollt ...

Du bist bedingungslos geliebt ...

Du bist wertgeachtet ...

Du bis angenommen.

 

*****

Kämpfen um die eigene Würde. Das ist mir so vertraut.

 

Wer Geborgenheit, Wärme, Liebe in seiner Kindheit erfährt, der hat es leichter mit der Selbstachtung.

Als Erwachsene bin ich Nachts in einer Psycho-Klinik herumgelaufen und habe Nachtschwestern gesucht,

die mir sagen sollten: Du bist ein Mensch.

Die seelischen Wunden ... die bleiben.

 

Heute – nach langer Auseinandersetzung mit dem, was mir in Kindheit und Jugend widerfahren ist,

kann ich die Zusage Gottes annehmen:

  • Ich habe Dich bei Deinem Namen gerufen JA –
  • Du bist bei mir wertgeachtet - JA,
  • weil ich Dir lieb habe- JA.
  • Ein langer Weg dahin – ein langes Ringen mit Gott.
  •  

    Das – DU BIST MEIN – aus dem Jesajatext –

    mag ich wiederum nicht.

    Du gehörtst mir ... NEIN ... das nimmt mir den Atem.

    Besitzanzeigendes Fürwort denke ich dazu.

    Einem gehören ... mit Haut und Haaren.

     

    Gott gehört anders zu mir.

    Ich gehöre anders zu Gott.

    Freier ... aus freiem Willen ... aus gewachsenem Glauben, der lange gebraucht hat ...

     

    Und Gott – JA – ganz natürlich/ menschlich soll mich lieben.

    Ohne MUSS – so wie es auch Eltern tun sollten.

     

    Wenn ich schon keine gute Kindheit und Jugend hatte – wenn ich schon mein ganzes Leben lang brennende Sehnsucht nach einem guten Vater und einer guten Mutter in meinem Herzen trage, dann will ich wenigstens,

    dass Gott mich liebt, ohne Bedingung – einfach so.

    Und das auch ohne jede kleinmachende Pädagogik/ ohne Vorbehalte.

     

    ****

    Gott gehört anders zu mir.

    Ich gehöre anders zu Gott.

    Freier ... aus freiem Willen ... aus gewachsenem Glauben, der lange gebraucht hat ...

     

    Ich gehe sogar soweit zu sagen, dass Gott mich liebt,

    auch wenn ich nicht an ihn Glauben würde ...

    wenn ich ihn ablehnen würde.

    ****

    Die Frage nach dem Leid ist für viele Menschen

    ein Hindernis an Gott zu glauben.

    Im Jesajatext heißt es ja:

    • Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein,
    • daß dich die Ströme nicht ersäufen sollen;
    • und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen,
    • und die Flamme soll dich nicht versengen.
  • Wo Kinder leiden ... sterben ... „ersaufen“ „verbrennen“ ...

    Wo war da VATER-MUTTER-GOTT?

    Viele Trauernde fragen sich das.

    Die Frage nach dem Leid lässt mich nicht los.

    Nicht als Mensch / nicht als Gläubige / nicht als Gottesvertreterin in Schwarz mit Bäffchen.

     

    ******

    Ich gehe wieder von mir aus – ich hätte auch viele andere Beispiele – Geschichten – wo Menschen – TOROZ –

    viel Leidenserfahrung an Gott dran geblieben sind.

    Die Erinnerung / das Erlebte ist sehr alltäglich.

    Demütigung durch einen Erwachsenen, der es eigentlich hätte besser wissen müssen.

     

    Der sich hätte fragen lassen müssen,

    wie er das als Lehrer vertreten kann.

    Nur hat ihn niemand für mich gefragt.

    Auch wieder sehr alltäglich.

    Die Schwachen haben keine Stimme.

     

    In der Schule wurde ich sehr schlecht.

    Bin sitzen geblieben.

    Das in der schwersten Zeit meines Lebens.

     

    In der ersten Stunde in der neuen Klasse hat mein Klassenlehrer mein Zeugnis in der Hand genommen.

    Mein Sitzenbleiberzeugnis.

    Und er hat meine Noten laut vor gelesen.

    Fünf ... fünf ... fünf ... sechs ...

    Herausgebrüllt hat er meine Noten ...

    Und – ich wurde, wenn ich aufgerufen wurde, nicht bei meinem Vornamen genannt.

    „Repitentin“ + Nachnamen ...

    So wurde ich aufgerufen, wenn ich zur Tafel sollte.

    Das hat mich lange in meinen Träumen begleitet.

    Repitent – heißt in Bayern Sitzenbleiber Scheißauftreiber.

    Da habe ich hassen gelernt.

     

    Eh schon angeschlagen ... eh schon verletzt ... einsam ... dann das!

    Leicht hätte ich zu einem

    gewalttätigen Menschen werden können.

     

    Und hätte ich in der Zeit von einem Gottesvertreter gehört:

    Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst;

    ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!

    Hätte ich nur zynisch gelacht.

    ICH HABE DICH BEI DEINEM NAMEN GERUFEN.

     

    Mensch, dass hätte ich dem Lehrer

    entgegen schleudern sollen:

    Du – Du Lehrer – Gott hat Dich bei Deinem Namen gerufen – und Du tust so etwas!

     

    *****

    Heute schaue ich mir die Dinge kopfschüttelnd an,

    die kleinen und großen Gemeinheiten.

    Ich suche nicht mehr den Gott, der alles gut macht – regelt.

     

    Ich glaube nicht an einen Aufpassergott – einen Gott,

    der von obern herabkuckt und sich dann

    mit seinem Sohngott zu seiner Rechten über das viele Leid auf der Welt unterhält.

     

    Ich glaube nicht daran, dass Gott so weit weg ist,

    wo Menschen andere Menschen quälen.

    Ich glaube an den menschgewordenen Gott.

     

    ****

    Das tröstet mich ein wenig.

    Denn dann weiß ich, dass Gott Zeuge ist.

    Und dass es keinen gottverlassenen Ort gibt.

     

    Das Zeugesein Gottes ist so wichtig.

    Wenn Menschen – die im Namen Gottes auftreten –

    sich auf christliche Werte berufen – oder überhaupt auf Werte,

    das im Kopf / im Gewissen haben, dann ist es gut.

    Eben genau das Glaubenswissen:

    DER LEIDENDE IST NICHT ALLEIN – GOTT, DER MENSCH GEWORDEN IST – LEIDET UND WEINT MIT.

     

    Und dann IM HIMMEL – ja so stelle ich mir das vor –

    haben die Leidenden viele Fragen an Gott

    Und Gott hat viele Fragen an Menschen, die andere Menschen gedemütigt, gequält, ausgegrenzt haben.

    *****

    Ob die Welt besser wird, je mehr Gläubige es gibt?

    Ich weiß es nicht.

    Vielleicht ... wenn es mehr menschliche Menschen gibt,

    egal ob sie gläubig oder nicht gläubig sind.

     

    Hauptsache sie sind menschlich, ehrlich ...

     

    Amen

     

     

    Mit G rechnen

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