Missbrauchs-Überlebende – November 2011
OPFERLEBEN alle kraft zusammen genommen kurz vor dem zerbrechen mit dauer-brüllen im kopf
verwiesen geschickt geschoben in sterile gänge flure
mit zitternder hand nummer ziehen von nummer-rollen im mief abgestandener staatlicher fürsorgestellen
OPFERLEBEN gewohnt sitzen und warten mit nummer 300 irgendwas warteraum 08 /15
sitzen – demüig – voll scham dankbar warten auf kopfnicken verstehender über aus geschulter problemfall-manager
missbrauchsopferlein klein bekommt zuwendungen und vielleicht einen mitleidigen blick
MISSBRAUCHS-ÜBERLEBENDEN-LEBEN brüllen im kopf kraft zusammen geballt nicht zufrieden geben mit zugewiesenen plätzen und räumen
umdrehen und nach oben gehen weg von der wartebank hinauf zu den oberen etagen
sich schwer machen leid schmerz elend problemfall-managern vor ihre türen kotzen
stören wo geldig gefeiert wird wo beschwichtiger verharmloser vertuscher ihre sektkelche halten sich zufrieden zulächeln
Susanne Jensen
Tja, meine Homepage heißt: www.stimme-der-opfer.de
Ich habe sie im Oktober 2010 eingerichtet. Eine Homepage voller Gedichte, Werkstücke, Reden. Alles Dinge, die entstanden sind auf meinem Weg der Befreiung. Die Texte und Bilder mussten raus aus mir. Mut haben mir ganz viele Missbrauchs-Überlebende gemacht, die es 2009 / 2010 so richtig haben knallen lassen.
Ich selbst war aber Oktober 2010 noch nicht soweit, dass ich zu mir selbst hätte sagen können: Ich bin Missbrauchs-Überlebende. Soweit war ich nicht. Ich war noch auf der Missbrauchsopfer-Stufe stehen geblieben. Zornig, kämpferisch, aber immer noch vom inneren Gefühl: OPFER.
Sich nicht mehr als Opfer fühlen ... nicht mehr als Opfer denken und handeln, das ist ein langwieriger Prozess, wie ja auch das Ding mit der inneren Versöhnung. Doch nun, durch den Film über mein Leben , der am 27. Oktober 2011 im WDR, in der Sendereihe „Menschen hautnah“ unter dem Titel: „Es war der eigene Vater – Eine Pfarrerin kämpft um ihr Leben“ gesendet wurde, habe ich mehr Power bekommen.
Das Selbstzerfleischende hasse ich so sehr. Das Stadium des im-mir-Ringens dauert nun schon so lange. Eure Briefe, Eure Mails, die Ihr mir geschrieben habt, unterschrieben oft mit: Überlebende, haben mir geholfen. Jetzt habe ich einen Zugang gefunden zum Missbrauchs-Überlebenden-Sein. Ich kann es noch gar nicht recht glauben, dass ich vom Opfersein aufgestiegen bin. Doch ich fühle es ... das Überlebenden-Sein ist besser als das Opfersein. Ich habe einen Zugang dazu gefunden – genial! Und gewinne so meine Würde zurück.
DANKE EUCH!
|