Verbitterungsstörung

Verbitterungsstörung, Juli 2014

bitter
wenn dir einer das attestiert
wenn du keine ruhe gibst
nach gerechtigkeit fragst
dich nicht symbolisch versöhnen lässt
mit billigen gesten

schnell
kommen psycho-spezialisten daher
im auftrag ihrer auftraggeber
und sind sich einig
dass du
an verbitterungsstörung leidest
und verhaltenstherapie brauchst

einhellig
im urteil über dich
und deine krankheit

ein brüdrechen
zum unwort ist
entschädigungsneurose

auch schnell
bescheinigt
weil du ja
nicht weg kommst von deinem opfersein
weil du nicht akzeptierst
dass entschädigung nicht im angebot ist

erkenne
die typen
die so zu dir reden

erkenne
ihren pseudogelehrten wortschwall
als ob sie allwissend allmächtig wären
und frage dich nach dem zweck

ihrem zweck

denn für die bist du
lästiger als fliegenschiss

wenn´s nach ihnen ginge
solltest du brav nicken
stumm andächtig lauschen
und annehmen
was sie meinen
was gut für dich ist

Susanne Jensen

„bitter“, wenn ich von Gewalt- und Missbrauchsüberlebenden, die brutale Entmenschung erlebt haben, hören muss, dass ihnen gesagt wird, sie litten an Entschädigungsneurose / an Verbitterungsstörung. Das, weil sie einfach nicht „Ja und Amen“ zum Umgang mit ihrem lebenslangen Leiden sagen können. Weil sie nicht akzeptieren können, dass sie nur Almosen bekommen. 5000 Euro, die Summe schwebt im Raum. Was ist angemessen? Da kommt dann das Argument, dass das Erlittene mit Geld nicht wieder gut zu machen ist. Viele Gewalt- und Missbrauchsüberlebende haben nie die Chance gehabt, ein „normales“ Leben zu leben. Viele müssen mit ganz wenig Sozialleistungen am Rand der Gesellschaft auskommen. Leistungen aus dem Fond für Missbrauchsopfer zu erhalten, ist vielen kräftemäßig gar nicht möglich. Denn die Bemühung um „alleinige Anerkennung des Erlittenen“ ist schon absolut schwer und gelingt nur wenigen.

 

„bitter“, wenn ich dann im Gedicht schreiben muss: „denn für die bist du

lästiger als fliegenschiss“.

Den nicht-versöhnungswilligen Betroffenen wird ihr Widerstand vorgehalten.

Sie werden wieder gedemütigt, für krank erklärt.

Wer denk sich solche Unworte wie „Verbitterungsstörung“ aus? Wer darf so ein Unwort Gewalt- und Missbrauchsüberlebenden entgegen halten?

Der Zweck ist gar klar: „blaming the victim“.

 

Menschen, die schwerstes Leid erfahren haben, so erneut demütigen wollen, das ist ....

 

Mit G rechnen

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