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Abendmahl II „triggert!“ Februar 2013
Dieses Gedicht „triggert“! Aber was „triggert“ nicht, wenn es um Seelenmord geht. Wichtig ist mir, aussprechen zu dürfen, womit ich innerlich tagtäglich kämpfen muss. Dann hat das „antriggernde Gedicht“ auch etwas Befreienden. Denn das Belastende in mir zur Sprache bringen, das hilft mich selbst zu verstehen.
Dazu ist es wichtig, dass Missbrauchüberlebende NICHT-MISSBRAUCHTEN-MENSCHEN klar machen, was Missbrauch an Kindern und Jugendlichen anrichtet, wie nachhaltig das Leben dadurch beeinträchtigt wird. Dies insbesondere politisch Verantwortlichen klar zu machen, damit es endlich mehr Hilfen und gesetzliche Veränderungen (Verjährungsfristen) gibt.
Nun inhaltlich zum Gedicht: Leiberinnerungen gibt es vom ersten Atemzug an – und auch schon davor, in der Zeit im Mutterleib. Diese graben sich tief ins UR-BEWUSSTSEIN/ ins Gehirn / ins Leibgedächtnis des Menschen. Psychologen und Neurowissenschaftler könnten dazu sicher viel sagen. Doch wenn es darum geht, deutlich zu machen, was Missbrauch gerade an Kleinkindern anrichtet, wird verdrängt ... wird verharmlost. Das Kind könne sich an nichts mehr ERINNERN, das Kind VERGISST ...
VERGESSEN gehört ins System der Täter und Täterschützer.
Warum nun anstößige Gedicht über den Essvorgang mit dem Titel „Abendmahl I und II und ...“?
Ich müsste es nicht kommentieren ... könnte die Gedanken der Leser laufen lassen, wie bei meinem ersten Gedicht zum Abendmahl, das gewiss bei Christenmenschen erst einmal große Abwehr erzeugt. Schon allein die Vermischung von Gedanken einer Missbrauchten und Abendmahlsworten ist für viele skandalös. Missbrauch und Abendmahl haben gar nichts miteinander zu tun, oder?
An sich ist das Abendmahl ein anstößiges Ritual. Den Menschen wird Christi Leib und Christi Blut zur EINVERLEIBUNG gereicht. Der Leib Christi soll GEGESSEN und das Blut Christ soll GETRUNKEN werden, Gott soll einverleibt werden. Als Jesus von Nazareth, der menschgewordene Gott, mit seiner Jüngerschar das Sedermahl vor dem Passafest gefeiert hat, gab es noch keine christliche Kirche ... kein Essritual des Abendmahls. Im Vordergrund stand viel Angst, was die kommenden Tage im Hexenkessel Jerusalem für alle bringen würden, im Vordergrund stand das Wissen Jesu, dass sein Leben real bedroht war ... dass etliche hohen Herrschaften seinen schon Tod längst geplant hatten. Ob nun Jesus O-Ton-mäßig gesagt hat: „...dies ist mein Leib .... dies ist mein Blut ...“ das wird von der neutestnamentlichen Forschung in Frage gestellt. Da ja auch klar ist, dass die Evangelien (Matthäus/ Markus / Lukas) und der 1. Korintherbrief erst nach dem Tode Jesu als Glaubenstexte geschrieben wurden. O-Ton-Jesu ist nicht greifbar, wie ja auch Gott selbst nicht greifbar ist.
Ich will Gott nicht ESSEN. Wenn ich am Abendmahl teilnehme, dann ist mir am wichtigsten, dass mir gesagt wird: „für Dich gegeben“ – „für Dich vergossen“. Gott ist Mensch geworden, er ist von ganz unten in die Welt gekommen, er hat Menschenhaut getragen, ist mitten durch die Todesschattenschlucht gegangen, um mir und jedem Leidenden deutlich zu machen: „Ich bin Dir nah, wenn Du mitten im Drecksmodderloch sitzt.“ VERSCHÄRFT: „Ich war bei Dir, jedes Mal als Dein Peiniger in der Nacht zu Dir kam, um Dich zu missbrauchen. Ich war mit Dir ohnmächtig, bin mit Dir seelisch gestorben, ich bin Dein Zeuge für Dein Leid.“
Wenn ich also – ich höchstpersönlich – am Abendmahl teilnehme, dann nehme ich das „FÜR DICH“ in mein Herz / in meine Seele auf. Ich ESSE Gott nicht – ich wurde GEGESSEN – und als das geschah, war mein Gott bei mir. Dies Schreibe ich als Mensch, der anderen Menschen die Freiheit lässt, das Abendmahl für sich selbst zu entdecken, zu deuten. Wenn ich Abendmahl reiche (dies als Pastorin), dann bete ich ganz intensiv, dass für den Einzelnen das „FÜR DICH“ irgendwie spürbar wird.
Gottes Weg in unsere Welt als Zeichen seiner Liebe zu jedem Einzelnen, dem Gott im Leid nahe sein will. Kein gewalttätiges Ritual – sondern ein Ritual der Verbundenheit mit unserem menschenfreundlichen Gott.
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